Buchkritik: Daniel Suarez "Daemon" (Die Welt ist nur ein Spiel)

"Die Welt ist nur ein Spiel" - über die Qualität des Untertitels könnte man vortrefflich diskutieren. Ich bin aber absolut kein Freund von Spoilern, deshalb kommentiere ich den Untertitel nicht, denn wie oft haben wir schon Trailer von Filmen gesehen, die viel zu viel (und manchmal auch schon das Beste) der Handlung vorwegnehmen? Das Buch beginnt mit dem Tod des Entwicklers eines MMOPG (eines Online Rollenspiels). Das Spiel lebt (unter anderem) von der künstlichen Intelligenz, die einzelne (nicht-Menschliche) Spieler steuert. Plötzlich geschehen ein paar seltsame Morde bei deren Aufklärung sich die Spur immer am Ende in den unendlichen elektronischen Wirren irgendeines EDV Systems verliert.

Es scheint, als wenn eine koordinierende Macht im Hintergrund (ein Daemon)  die Fäden zieht.

Suarez kennt sich aus in der Materie. Alles, was er beschreibt, wäre so auch machbar (vielleicht erst in der nächsten Dekade) - und das erschreckt. Mehr in der Spoilerzone.
 

Für wen ist dieses Buch gedacht?

Geeks, die endlich einmal einen TechnoKrimi lesen wollen, der nicht unaufhörlich  ihre Intelligenz beleidigt, sollten sich dieses Buch auf jeden Fall auf die Weihnachtswunschliste schreiben. (Hacker) Tools und Angriffsvarianten werden genau auf dem Level beschrieben, auf dem ein nicht-Techniker noch weiterliest, der Insider sich aber nicht angewidert abwendet und "Totaler Blödsinn" denkt.

Aber man sollte eine Warnung aussprechen: Mit "Daemon" endet die Geschichte nicht. Erst der nächste Teil ("Darknet") bringt alle Fäden zu einem sauberen Ende.

Ich möchte nicht wirklich mehr von der Handlung verraten. Suarez beschreibt mit einer beängstigenden Präzision, wie eine künstliche Intelligenz erschaffen wird und sich mehr und mehr Macht erarbeitet.
 

 

/* ab hier leichter Spoiler */

Anfangs erscheint die Idee der Cyberintelligenz, die Zugriff alles und jeden erhält, extrem beängstigend. Und es wird schlimmer. Denn bestehende Strukturen wollen nicht verändert werden. Macht und Freiheit kämpfen um ihren Erhalt.
 

/* Spoiler rot - weiterlesen auf eigene Gefahr */

Ich war fasziniert, wie Suarez den Leser an die Hand nimmt und ihm seine Welt zeigt. In all ihrer Abgründigkeit. Eine künstliche Intelligenz entmachtet die Menschheit. Wir sind alle erpressbar - durch unsere elektronische "Existenz" und darauf baut der Daemon. Er kriegt uns alle, wenn wir nicht mitspielen.

Aber sind wir denn wirklich frei in unseren Entscheidungen? Während Suarez haarklein schildert, wie sich die offiziellen Stellen zur Gegenbewegung rüsten, dämmert es langsam: die bestehenden Strukturen könnten schlimmer sein als der Daemon. Die künstliche Intelligenz handelt kalt und emotionslos. Wie sich später (Achtung Spoiler des zweiten Buches inkludiert) herausstellt, entsteht über das "Darknet" (die Kommunikationsbasis der Daemon Anhänger) eine parallele Gesellschaftsstruktur.

Jetzt wird es gefährlich. Denn so verkehrt scheint diese Welt ja gar nicht zu sein. Der Daemon mag gnadenlos regieren, aber er fordert Rechenschaft für die Taten seiner Beauftragten. Da mag Loki zwar als Rächer mit blutigem Schwert durch die reale Welt geistern, am Ende wird er aber doch von der gemeinschaftlichen Ablehnung seiner Taten zu Fall gebracht.

Wer gegen die Interessen der Mehrheit verstößt, wird "down" gevotet. Das Urteil spricht der Daemon und der kennt keine persönliche Vorteilsnahme.